Bericht zur Teilnahme an der COP30 in Belém – Aktion, gerechte Transition und Perspektiven für die Wyss Academy
Die COP30 erregte bereits lange vor ihrem Start viel Aufsehen: So symbolträchtig der Austragungsort auch war – Belém, das Tor zum Amazonasgebiet – so umstritten war er. Was rechtfertigt es, tausende von Menschen ins Herz einer der Lungen unseres Planeten zu fliegen? Lässt sich damit die schleppende Umsetzung der Pariser Ziele beschleunigen?
Das Verhandlungsergebnis lässt daran zweifeln; ein Zeichen hat das Gastland Brasilien allemal gesetzt, nicht zuletzt durch den offenen und herzlichen Empfang und eine wohltuende Tonalität beim Umgang mit den vielen Demonstrierenden und renitenten Verhandlungsdelegationen. Die COP30 in Belém stand denn auch unter dem Zeichen der Umsetzung und einer gerechten Transition.
Atmosphäre und Eindrücke
Die Atmosphäre in Belém war geprägt von Vielfalt, Offenheit und einer gewissen Improvisationskunst. Die feucht-heisse Luft, plötzliche Regengüsse und die bunte Mischung von Menschen aus aller Welt machten die COP zu einem lebendigen Ort des Austauschs. Während die Verhandlungsdelegationen im Laufe der zwei Verhandlungswochen immer längere Arbeitsschichten zu bewältigen hatten, nutzten die vielen Vertreterinnen aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft, dem Privatsektor und internationalen Organisationen die Zeit, neue Erkenntnisse und Wissen auszutauschen aber auch über ganz konkrete Umsetzungserfolge. Die Bedeutung dieser informellen Räume ist nicht zu unterschätzen – hier werden Impulse gesetzt und oft sind sie auch Ausgangspunkt für neue Allianzen und innovative Ansätze.
Der Schweizer Pavillon: Nähe zur Natur und zur lokalen Bevölkerung
Der Schweizer Pavillon war in diesem Jahr besonders: Anders als die meisten Länderpavillons befand es sich nicht im Verhandlungszentrum, sondern mitten im Stadtzentrum von Belém. Untergebracht im Museum Göldi, das nach dem Schweizer Zoologen und Naturforscher Emil Göldi benannt wurde und unter dessen Leitung der Zoobotanische Park zu einem bedeutenden Forschungszentrum für das Amazonasgebiet wurde, erlaubte es den direkten Bezug zur lokalen Bevölkerung und zur Natur, und bot er einen inspirierenden Rahmen für Diskussionen und Begegnungen. Die räumliche Distanz zu den Verhandlungsräumen hatte Vor- und Nachteile: Einerseits mehr Nähe zur Realität vor Ort, andererseits weniger Sichtbarkeit bei den zentralen Verhandlungen.
Verhandlungsergebnis der COP30 - Was bleibt hängen?
Die COP30 in Belém hat viele Erwartungen geweckt, aber am Ende blieb der grosse Durchbruch aus. Zwar wurde ein Paket beschlossen, das mehr Geld für den Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel verspricht – etwa eine Verdreifachung der Unterstützung für ärmere Länder bis 2035. Doch beim wichtigsten Punkt, dem Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas, gab es keine Einigung. Viele Länder, darunter auch die Schweiz, haben sich für einen klaren Fahrplan stark gemacht. Am Ende blieb es aber bei freiwilligen Absichtserklärungen – verbindliche Ziele oder ein Zeitplan fehlen. Das sorgt weltweit für Kritik: Ohne konkrete Schritte droht das 1,5-Grad-Ziel in weite Ferne zu rücken.
Einordung: Was bedeutet das für die Schweiz?
Die Schweiz hat sich in Belém klar für den Ausstieg aus fossilen Energien ausgesprochen und sich mit über 80 Staaten für einen verbindlichen Plan eingesetzt. Doch auch die Schweizer Delegation steht in der Kritik: Umweltorganisationen und NGOs bemängeln, dass die Schweiz zwar beim Thema Ausstieg aus fossilen Brennstoffen vorangeht, ansonsten aber wenig ambitioniert auftritt. Besonders bei der Klimafinanzierung und den eigenen Reduktionszielen im Inland bleibt die Schweiz hinter den Erwartungen zurück. Die Forderung: Es reicht nicht, einmal im Jahr auf der COP für den Ausstieg aus fossilen Energien zu plädieren – jetzt müssen auch im eigenen Land Taten folgen. Die Schweiz muss ihre Hausaufgaben machen und mehr für den Klimaschutz und die Unterstützung ärmerer Länder leisten.
Die COP als Katalysator für Innovation und Partnerschaften – Erfahrungen der Wyss Academy
Für die Wyss Academy war die COP30 in Belém weit mehr als ein diplomatisches Pflichtprogramm. Sie bot die seltene Gelegenheit, lokale Erfahrungen und innovative Ansätze direkt in die internationale Klimapolitik einzubringen und neue Allianzen zu schmieden. Besonders das Side-Event „Territories for Resilience“ im Museu Goeldi zeigte, wie wichtig es ist, territoriale Ansätze als Schlüssel für echte Resilienz zu begreifen – und zwar über nationale Grenzen hinweg. Hier wurde deutlich: Die Zukunft des Amazonas entscheidet sich nicht in den Plenarsälen, sondern vor Ort, durch die Zusammenarbeit von Wissenschaft, lokalen Gemeinschaften und internationalen Partnern.
Die Diskussionen und Begegnungen machten klar, dass nachhaltiger Wandel nur gelingt, wenn Wissen geteilt, neue Formen der Kooperation ausprobiert und die Stimmen der Betroffenen gehört werden. Die COP ermöglichte es der Wyss Academy, ihren Ansatz international sichtbar zu machen und konkrete Impulse für den Schutz und die gerechte Entwicklung der „Lunge der Erde“ zu setzen. Innovationen, die aus den Bedürfnissen und Erfahrungen der Menschen entstehen, und partizipative Gouvernanz-Modelle sind dabei unverzichtbar, um den Herausforderungen der Region wirklich gerecht zu werden.
Wie weiter? – Ausblick auf die COP31 in der Türkei
Nach der COP30 ist vor der COP31: Die nächste Weltklimakonferenz findet 2026 im türkischen Badeort Antalya statt. Der Weg zu diesem Entscheid war alles andere als gewöhnlich – Australien und die Türkei lieferten sich monatelang einen diplomatischen Schlagabtausch um die Gastgeberrolle. Wer in Belém einen guten Kaffee wollte, musste sich entscheiden: australischer Flat White oder türkischer Mokka – die beiden Pavillons lagen direkt nebeneinander und buhlten mit feinem Kaffee um die Gunst der Delegierten. Doch hinter den Kulissen ging es um mehr als nur Koffein: Beide Länder wollten die COP ausrichten, am Ende setzte sich die Türkei durch.
Der Kompromiss sieht vor, dass die Türkei Gastgeberin und Präsidentin der COP31 wird, Australien aber die Leitung der Verhandlungen übernimmt. Ein Novum im UN-Klimaprozess, das zeigt, wie komplex und politisch aufgeladen die Organisation solcher Grossereignisse mittlerweile ist. Die Konferenz wird in Antalya stattfinden, einer Stadt an der Mittelmeerküste, die als Brücke zwischen Europa, Asien und dem Nahen Osten gilt.
Inhaltlich will die Türkei als Schwellenland den Fokus auf globale Solidarität zwischen Industrie- und Entwicklungsländern legen. Themen wie Klimafinanzierung, Energie- und Technologietransfer sowie die Rolle kritischer Rohstoffe und die grüne Transformation stehen im Vordergrund. Gleichzeitig bleibt die Erwartung, dass Australien die Anliegen der besonders vom Klimawandel bedrohten Pazifikstaaten in die Verhandlungen einbringt.
Die COP31 verspricht also nicht nur neue diplomatische Konstellationen, sondern auch eine inhaltliche Erweiterung: Die Türkei möchte sich als Vermittlerin zwischen Nord und Süd positionieren und die geopolitische Bedeutung des Mittelmeerraums für den Klimaschutz betonen. Für die internationale Klimapolitik bleibt zu hoffen, dass die nächste Konferenz mehr konkrete Fortschritte bringt – und dass die Delegierten nicht nur beim Kaffee, sondern auch bei den Verhandlungsergebnissen auf den Geschmack kommen.
Fazit
Die COP30 in Belém hat eindrücklich gezeigt, wie schwierig echte Fortschritte im internationalen Klimaschutz sind – und wie wichtig es ist, dass Worte endlich von Taten begleitet werden. Die Schweiz steht in der Pflicht, ihre Ambitionen zu erhöhen und auch im Inland voranzugehen. Für die Wyss Academy und viele andere bleibt die Hoffnung, dass Innovationen und neue Partnerschaften den Wandel vorantreiben. Die nächste COP in der Türkei bietet die Chance, den Dialog fortzusetzen und endlich konkrete Schritte einzuleiten – denn die Zeit für Symbolpolitik ist längst vorbei.
Bilder: Tatjana von Steiger
Ein Erfahrungsbericht von:
Tatjana von Steiger, Wyss Academy for Nature