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Neue Arbeitsmodelle

Neue Arbeitsmodelle: Bei den Auswirkungen für Mitarbeitende, Unternehmen und Umwelt kommt es aufs konkrete WIE an

Themenfeld «​öbu-Themenschwerpunkt: Der Mensch als Katalysator»
- Im Zuge anstehender Herausforderungen in der Arbeitswelt experimentieren viele Unternehmen mit alternativen Arbeitsmodellen. Potenziell ermöglichen diese Modelle viele Vorteile für Mitarbeitende und Unternehmen. Im Gastbeitrag berichtet das Centre for Development and Environment (CDE) der Universität Bern vom einem Forschungsprojekt, das erforscht, wie eine erfolgreiche Umsetzung gelingen kann.

Spätestens seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie wurden alternative Arbeitsmodelle – also neuen Variationen von wo, wann und wieviel gearbeitet wird - in der Forschung und den Medien breit diskutiert. Im Arbeitsalltag angekommen führen Konzepte wie Homeoffice, activity-based-working, co-working, 4-Tage-Woche und andere nicht nur zu hitzigen Diskussionen beim Feierabendbier oder dem Geburtstagsfest der Grosstante, sondern werden auch in der Wissenschaft kontrovers diskutiert. 

Verschiedene Unternehmen in der Schweiz experimentieren aus unterschiedlichen Gründen mit alternativen Arbeitsmodellen. So können beispielsweise Produktivitätsüberlegungen, die Zufriedenheit der Mitarbeitenden, die Attraktivität als Arbeitsgeberin, veränderte Anforderungen der Arbeitswelt oder Nachhaltigkeitsaspekte treibende Kräfte hinter solchen Versuchen sein. 

Weniger Fluktuation und mehr Zufriedenheit

Im Sommer 2022 reagierte beispielsweise das GZO Spital Wetzikon auf den Fachkräftemangel im Gesundheitswesen mit der versuchsweisen Einführung einer 10%igen Arbeitszeitverkürzung (bei gleichbleibendem Lohn) für Pflegefachpersonen, die in allen drei Schichten arbeiteten (Früh-, Spät- und Nachtschicht). Dieses neue Arbeitszeitmodell wurde über ein Jahr lang vom Centre for Development and Environment (CDE) der Universität Bern wissenschaftlich begleitet. Die kürzlich veröffentlichen Resultate zeigen, dass die Einführung der Arbeitszeitverkürzung bei den betroffenen Angestellten zu messbaren Verbesserungen von Gesundheit, Wohlbefinden und Zufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen geführt hat. Eine Auswertung aus betriebswirtschaftlicher Sicht wurde in der Begleitforschung nicht vorgenommen. Wie das GZO Spital Wetzikon aber selbst in einer Medienmitteilung sagt, konnten mit der Einführung der Arbeitszeitverkürzung die Fluktuation der Mitarbeitenden und die Krankheitsabwesenheiten stark reduziert werden. Auch die Kosten für Temporärangestellte konnten gesenkt werden.

Ergebnisse aus der Forschung

Diese Resultate decken sich mit Ergebnissen aus der wissenschaftlichen Literatur zur Erwerbsarbeitszeitverkürzung. Eine solche wird in der Nachhaltigkeitsdebatte als vielversprechend, sowohl für Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt gesehen (Bader et al. 2020). Empirisch unterlegt ist, dass eine Verkürzung der Erwerbsarbeitszeit in der Regel positive Effekte auf das Wollbefinden und die Gesundheit der Mitarbeitenden hat (Hanbury et. al 2023). Die Richtungen der ökonomischen Effekte, wie bspw. der Produktivität, und ökologischer Effekte, wie bspw. dem Mobilitätsverhalten, lassen sich hingegen nicht eindeutig bestimmen (Hanbury et. al 2023). Zwar ist das mögliche Potential an positiven Effekten wie der gesteigerten Produktivität, geringerer Energiekosten, und nachhaltigerem Mobilitätsverhalten der Mitarbeitenden sehr hoch, die Verwirklichung dieser Effekte hängen aber stark von der konkreten Umsetzung im spezifischen Kontext ab. 

Ähnlich verhält es sich auch andern alternativen Arbeitsmodellen, wie Homeoffice, co-working, activity-based-working etc. Solche Modelle bieten potenziell viele Vorteile für Mitarbeitende und Unternehmen. In welche Richtung sich diese Parameter bewegen hängt aber auch hier stark von der Umsetzung ab. So kann bspw. die Einführung von Homeoffice dazu führen, dass weniger gependelt wird, dafür die nicht mit Arbeit verbundene Mobilität der Mitarbeitenden steigt, wie dies Fabienne Wöhner für die Schweiz gezeigt hat (Wöhner 2022). 

Neue Forschungsprojekte

Wissenschaftliche Studien zeigen zwar viele mögliche Effekte solcher Modelle auf. Wie solche Arbeitsmodelle hingegen erfolgreich umgesetzt werden, sodass die positiven Effekte überwiegen, wurde bisher wenig untersucht. Ein interdisziplinäres Forschungsteam aus CDE, ZHAW, HES-SO, SUPSI untersucht deshalb im Rahmen eines grossangelegten, durch das Bundesamt für Energie geförderten Forschungsprojekts wie solche erfolgreichen Umsetzungen gestaltet werden können.  

Aus einer umfassenden Sichtung der Literatur kristallisiert sich heraus, dass ein sinnvolles Zusammenspiel von Arbeitszeiten, Örtlichkeiten und Raumnutzung am vielversprechendsten zu sein scheint, um alternative Arbeitsmodelle erfolgreich für Mitarbeitende, Unternehmen und Umwelt zu gestalten. 

Kontakt für interessierte Unternehmen

Für die vertiefte Untersuchung startet das Forschungsteam unter anderem eine «Community of Practice» zwischen interessierten Unternehmen, um gemeinsame Lernprozesse anzustossen und diese gemeinsam zu evaluieren. Interessierte Unternehmen dürfen sich gerne beim Autor des Beitrags, Nicolà Bezzola, melden (nicola.bezzola@unibe.ch).  

Weiterführende Informationen und Literatur

  • Bader, Christoph, Hugo Hanbury, Sebastian Neubert, and Stephanie Moser. ‘Weniger ist Mehr – Der dreifache Gewinn einer Reduktion der Erwerbsarbeitszeit. Weniger arbeiten als Transformationsstrategie für eine ökologischere, gerechtere und zufriedenere Gesellschaft – Implikationen für die Schweiz’. CDE Working Paper. Nr. 6. Bern: Centre for Development and Environment (CDE), 2020. https://boris.unibe.ch/144160/.
  • Hanbury, Hugo, Patrick Illien, Eva Ming, Stephanie Moser, Christoph Bader, and Sebastian Neubert. ‘Working Less for More? A Systematic Review of the Social, Economic, and Ecological Effects of Working Time Reduction Policies in the Global North’. Sustainability: Science, Practice and Policy 19, no. 1 (8 December 2023): 2222595. https://doi.org/10.1080/15487733.2023.2222595.
  • Moser, Stephanie, Lilla Gurtner, Nicolà Bezzola, Sebastian Neubert. ‘Wohlbefinden und Ökologie durch mehr Zeit? Lernen aus der Umsetzung einer Arbeitszeitreduktion im GZO Spital Wetzikon’. CDE Wokring Paper. Nr. 8. Bern: Centre for Development and Environment (CDE), 2024. 
  • Wöhner, Fabienne. ‘Work Flexibly, Travel Less? The Impact of Telework and Flextime on Mobility Behavior in Switzerland’. JOURNAL OF TRANSPORT GEOGRAPHY 102 (2022). https://doi.org/10.1016/j.jtrangeo.2022.103390.

Autor des Gastbeitrags

Nicolà Bezzola ist als Research Associate am Centre for Development and Environment (CDE) der Universität Bern tätig.

nicola.bezzola@unibe.ch