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Gastbeitrag: Neue Sorgfaltspflichten für Umwelt und Menschenrechte – Was kommt auf Schweizer Unternehmen zu?

Themenfeld «öbu-Themenschwerpunkt: Nachhaltige Wertschöpfungsketten und Beschaffung»
- Mit dem Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative (KVI) kommen neue Sorgfaltspflichten auf Schweizer Unternehmen zu. Die gesetzlichen Anforderungen gehen weniger weit als internationale Standards, welche eine umfassende menschenrechtliche Sorgfaltsprüfung verlangen. Die Erwartungen an Unternehmen steigen aber weiter - unabhängig davon, ob sie von der neuen Gesetzgebung betroffen sind.

Nachdem die KVI am Ständemehr gescheitert ist, führt ihr Gegenvorschlag neue Pflichten für Schweizer Unternehmen ein. Zwei davon entsprechen einer Übernahme der aktuell geltenden Regeln der EU:

  • Eine Berichterstattungspflicht über nichtfinanzielle Belange für Grossunternehmen.
  • Eine Sorgfalts- und Berichterstattungspflicht zu Konfliktmineralien für Unternehmen, die bestimmte Mengen an Metallen und Mineralien aus Konfliktgebieten einführen und verarbeiten.

Im Bereich Kinderarbeit führt die Schweiz eigene Regeln ein, die entfernt an ein holländisches Gesetz erinnern:

  • Eine Sorgfalts- und Berichterstattungspflicht zur Kinderarbeit für Unternehmen, die Produkte und Dienstleistungen anbieten, bei denen ein «begründeter Verdacht» besteht, dass sie unter Einsatz von Kinderarbeit hergestellt oder erbracht wurden.

Der Entwurf der Verordnung zum KVI-Gegenvorschlag ist bis am 14. Juli 2021 in der Vernehmlassung, und tritt voraussichtlich im Januar 2022 in Kraft.

Portrait regula meng

Kinderarbeit in Wertschöpfungsketten wirksam bekämpfen

Im Rahmen der neuen Sorgfalts- und Berichterstattungspflicht zu Kinderarbeit müssen Unternehmen prüfen, ob ihre Geschäftstätigkeit und Lieferkette Risiken für Kinderarbeit beinhalten. Ist dies der Fall, sind sie verpflichtet, einen Risiko-Managementplan umzusetzen und jährlich über die Massnahmen Bericht zu erstatten. Gemäss dem Verordnungsentwurf sind KMU und Unternehmen mit geringen Risiken von der Regelung ausgenommen.

Wer internationale Standards wie die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte einhalten möchte, muss allerdings umfassender tätig werden. Denn diese verlangen eine menschenrechtliche Sorgfaltsprüfung, die alle Menschenrechte und die gesamte Wertschöpfungskette umfasst, und Massnahmen zur Bekämpfung der negativen Auswirkungen auf die Menschenrechte aufgrund deren Schweregrad priorisiert. Auch zur Bekämpfung von Kinderarbeit verspricht dieser Ansatz mehr Wirksamkeit als die Schweizer Lösung. Denn Kinderarbeit ist eine Menschenrechtsverletzung die selten alleine kommt, und nur durch ganzheitliche Massnahmen wirksam bekämpft werden kann.

Um Unternehmen bei der Einführung einer menschenrechtlichen Sorgfaltsprüfung mit Fokus auf Kinderarbeit zu unterstützen, hat focusright ein Q&A für Unternehmen erstellt. Dieses beantwortet die wichtigsten Fragen zur Umsetzung der Sorgfaltsprüfung im Einklang mit internationalen Standards.

Anforderungen an Unternehmen steigen weiter an

Ein Blick über die Grenze zeigt die aktuelle Dynamik der Rechtsentwicklung im Bereich Unternehmensverantwortung in verschiedenen Ländern Europas. So ist am 11. Juni 2021 in Deutschland das Lieferkettengesetz verabschiedet worden, und auch die EU-Kommission ist an der Ausarbeitung eines Gesetzesentwurfs, der umfassende unternehmerische Sorgfaltspflichten für Umwelt und Menschenrechte in internationalen Wertschöpfungsketten einführen soll.

Unabhängig von der neuen Gesetzgebung in der Schweiz zeichnet sich ab, dass die Anforderungen an Unternehmen in den nächsten Jahren weiter steigen werden. Dies kann direkt, im Rahmen einer Anpassung unserer Gesetze an die Rechtsentwicklung der EU geschehen. Oder indirekt, durch Geschäftsbeziehungen mit Unternehmen aus der EU, die in Zukunft Sorgfaltspflichten in ihren Wertschöpfungsketten einhalten müssen und zunehmend Druck auf Geschäftspartner ausüben. Auf diese Weise wird sich die ausländische Rechtsentwicklung auch auf Schweizer KMU und Grossunternehmen auswirken, die nicht direkt vom KVI-Gegenvorschlag betroffen sind.

Im Kontext steigender Erwartungen kann die neue Schweizer Regelung zur Kinderarbeit als Übungsfeld für Unternehmen verstanden werden, die sich Schritt für Schritt an die menschenrechtliche Sorgfaltsprüfung herantasten wollen. Vorausschauende Unternehmen können die neuen Pflichten unter dem KVI-Gegenentwurf aber auch als Anlass nehmen, menschenrechtliche Sorgfaltsprozesse einzuführen, die von Anfang an internationalen Standards entsprechen. Denn diese werden früher oder später sowieso zum “neuen Normal”, das für alle Unternehmen gleichermassen gelten wird.

Weiterführende Informationen:

  1. focusright: Addressing Child Labour Risks - Q&A to support companies’ due diligence www.focusright.ch/en/child-labour
  2. Artikel in der NZZ (6.5.2021): “Konzernverantwortung: Die Schweiz kann bald in Zugzwang kommen” www.nzz.ch/wirtschaft/konzernverantwortung-neuer-zugzwang-fuer-die-schweiz-ld.1623637?reduced=true
  3. Vernehmlassung: Entwurf der Verordnung zum KVI-Gegenvorschlag: www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-83087.html 
  4. UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte: www.skmr.ch/cms/upload/pdf/140522_leitprinzipien_wirtschaft_und_menschenrechte.pd

Quelle: Text & Foto: focusright

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