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Warum Beschaffungs- und Nachhaltigkeitsstrategie zusammengehören

Themenfeld «öbu-Themenschwerpunkt: Nachhaltige Wertschöpfungsketten und Beschaffung»
- In den Nachhaltigkeitsstrategien vieler Unternehmen wird die Beschaffung häufig nachgelagert adressiert - dabei sitzt gerade hier ein entscheidender Hebel für nachhaltige Unternehmensziele. Neben guten Gründen für das nachhaltige Beschaffungsmanagement rückten zuletzt auch Regulierungen das Thema auf die Agenda.

Woran denken Sie, wenn Sie das Wort “Nachhaltigkeitsstrategie” hören? Vielleicht an den CO2-Fussabdruck, die Energiebilanz oder die Berichterstattung. Die Beschaffung ist vermutlich nicht der erste Geschäftsbereich, der mit der Nachhaltigkeitsstrategie in Verbindung gebracht wird. Doch das Potenzial der Beschaffung wird heute von vielen Unternehmen weitgehend unterschätzt. Preis - und Qualitätsaspekte dominieren die strategischen Prozesse der Beschaffung. 

Externe und interne Faktoren für die nachhaltige Beschaffung

Die Gründe, die Unternehmen zu einem genaueren Blick auf ihre Beschaffungsstrategie motivieren sollten, sind vielfältig und reichen von internen über externe Faktoren. Hier nur einige Aspekte, die Unternehmen bei der Integration von Beschaffungs- und Nachhaltigkeitsstrategie in Betracht ziehen: 

  1. Unternehmensverantwortung: Unternehmen tragen Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und der Umwelt. Mindestens 2/3 des ökologischen und sozialen Fussabdrucks eines durchschnittlichen Unternehmens fallen in der Lieferkette an. Eine nachhaltige Beschaffungsstrategie ermöglicht es, diese Verantwortung wahrzunehmen, indem Umweltauswirkungen minimiert, soziale Standards eingehalten und ethische Geschäftspraktiken gefördert werden.
     
  2. Risikomanagement: Eine nachhaltige Beschaffungsstrategie hilft, Risiken im Zusammenhang mit Lieferketten zu identifizieren und zu adressieren. Dies kann beispielsweise das Risiko von Lieferengpässen aufgrund von Umweltkatastrophen oder sozialen Unruhen reduzieren.
     
  3. Kosteneffizienz: Nachhaltige Beschaffung kann langfristig kosteneffizienter sein. Durch die Auswahl umweltfreundlicher oder rezyklierter Materialien sowie die Vermeidung von Lieferkettenunterbrechungen können Unternehmen langfristig Kosten senken und Stabilität in der Lieferkette gewährleisten.
     
  4. Kundenbindung und Stakeholdermanagement: Eine starke Nachhaltigkeitsstrategie und die nachgelagerte Kommunikation kann die Beziehungen zu Kund:innen und anderen Stakeholdern stärken. Viele Unternehmen verlangen von Ihren Lieferant:innen inzwischen Nachweise über die Nachhaltigkeitsbemühungen als Voraussetzung für eine langfristige Geschäftsbeziehung. Damit wandelt sich die nachhaltige Beschaffung von einem “nice to have” Status zur “license for doing business”.

Regulatorische Anforderungen und Gesetzeslage

Neben diesen strategischen Gründen, die Unternehmen dazu bewegen, sich mit nachhaltigem Beschaffungsmanagement auseinanderzusetzen, kommt mit den wachsenden regulatorischen Anforderungen ein weiterer Faktor hinzu. Denn nicht zuletzt nimmt das Thema auch auf gesetzlicher Ebene Fahrt auf. 

Gerade Grossunternehmen, die auch in der Schweiz von EU-Regulierungen betroffen sind und sich mit Lieferkettengesetzen auseinandersetzen, ist diese Entwicklung bewusst. Die Anpassung an entsprechende Regulierungen geschieht jedoch häufig erst aus einer reaktionären Haltung heraus. Dabei sollte die langfristige strategische Ausrichtung und Vorbereitung auf neue Gesetzeslagen stärker in den Fokus des Beschaffungsmanagements rücken. Es lohnt sich daher, die aktuellen gesetzlichen Entwicklungen im Blick zu behalten.

CSRD als Vorläufererin der CSDDD

Die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD) ist seit Januar 2023 in Kraft. Sie verlangt von Großunternehmen die Offenlegung detaillierter Informationen über ihre nichtfinanziellen Leistungen und insbesondere über Nachhaltigkeitsaspekte. Die CSRD wird oft als Vorläuferin der aktuell vieldiskutierten Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) beschrieben. Während die CSRD jedoch hauptsächlich eine Berichtsnorm ist, macht die CSDDD genauere Vorgaben zum Verhalten der Unternehmen. Ihr Ziel ist es, Unternehmen zur Achtung von Menschenrechten und Umwelt entlang ihrer Lieferketten zu verpflichten. Multinationale Unternehmen sollen für die Schäden, die sie in ihren Wertschöpfungsketten verursachen, zur Verantwortung gezogen werden. 

Eine Initiative - mit Hindernissen

So weit so gut. Innerhalb der EU zeigte sich in den vergangenen Monaten jedoch eine grosse Uneinigkeit über die CSDDD. Im März 2024 wurde nach langen Verhandlungen doch noch eine Einigung erzielt. Das Ergebnis hatte eine erhebliche Abschwächung des Richtlinientextes zur Folge, die z.B. zu einer Reduzierung der Zahl der erfassten Unternehmen führte und auch der Hochrisikosektor-Ansatz wurde gestrichen. Und auch jetzt (Stand April 2024) ist die CSDDD noch nicht in Stein gemeisselt: Die vorläufige Einigung muss nun noch vom Europäischen Parlament gebilligt werden. 

Auswirkungen auf die Schweiz

Bei Schweizerinnen und Schweizern werden da Erinnerungen an die Konzernverantwortungsinitiative wach. Auch dieser Vorschlag war weitreichener als der letztendliche indirekte Gegenvorschlag, der Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten in den Bereichen Konfliktmineralien und Kinderarbeit im Obligationenrecht (OR) mit sich brachte. Von der CSDDD werden Schweizer Unternehmen betroffen sein - wenn auch nicht in vollem Umfang: Nicht-EU-Unternehmen mit einem Nettoumsatz innerhalb der EU von mehr als 450 Millionen Euro fallen unter die Vorgaben der CSDDD. 

Trotz des Auf und Ab und den Hindernissen im politischen Prozess rund um das Thema Konzernverantwortung zeigt sich eine Entwicklung: Mit strengen Vorgaben für die Lieferkette wird auch die Beschaffung immer stärker in die Pflicht genommen, wenn es um nachhaltige Unternehmensprozesse geht. Es besteht eine Notwendigkeit hin zu einer stärkeren Integration von Nachhaltigkeit in die Beschaffungsstrategien der Unternehmen. Die Zukunft wird zeigen, wie diese Strategien in die Unternehmenslandschaft integriert werden. 

SPD24 Key Vis final
Der Sustainable Procurement Day ist die erste Schweizer Wirtschaftstagung für die nachhaltige Beschaffung.

Sustainable Procurement Day 2024

Gemeinsam mit der Stiftung Pusch und dem Fachverband procure.ch möchte öbu das nachhaltiges Beschaffungsmanagement am Sustainable Procurement Day in den Fokus der Nachhaltigkeitsstrategie rücken. An der Fachtagung, die am 20. Juni 2024 erstmals in Zürich stattfindet, kommen Einkäufer:innen, Geschäftsführende und Nachhaltigkeitsverantwortliche zusammen, um über nachhaltige Ansätze der Beschaffung zu diskutieren. Wir freuen uns neben vielfältigen Workshops und Fokusthemen auch auf Speaker:innen wie Mirko Kleiner (Lean Agile Procurement), Elgin Brunner (WWF Schweiz), Gina Obrecht und Marion Gloor (Swisscom). 

(Titelbild: Andy Li, Unsplash)

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