SBB-Mann David Blumer im Gespräch mit TEILZEITMANN
Stimmt es, dass ein Teilzeit-Pensum Karriereverzicht signalisiert?
Ja, dieses Risiko besteht. Wir definieren uns stark über die Arbeit. Und wer hart und viel arbeitet, wird auch entsprechend befördert. Er zeigt auch, dass er belastungsfähig ist. Bei jemandem, der Teilzeit arbeitet, ist leicht der Vorwurf da: Mag er’s sonst nicht prästieren? Gerade in Kaderpositionen wird man mit diesem Vorwurf konfrontiert.
Teilzeit an sich wäre kein Hindernis für die Karriere?
Doch. Je weniger ich präsent bin, desto weniger kann ich mich darstellen. Man weiss, dass Manager einen grossen Teil ihrer Arbeitszeit damit verbringen, ihre Position zu erhalten. Je weniger präsent Sie sind, desto weniger können Sie natürlich in das investieren. Das bedeutet automatisch, dass die Person, die länger präsent ist, mehr Möglichkeiten hat, um sich sichtbar zu machen.
Aber ist Teilzeitarbeit wenigstens gesünder?
Der grosse Vorteil von Teilzeit ist die Vereinbarkeit von unterschiedlichen Lebensdomänen. Dass ich Privatleben, familiäre Pflichten, aber auch Hobbies gut mit dem Job vereinbaren kann. Es bietet mehr Handlungsspielräume. Das bedeutet auch mehr Erholungsmöglichkeiten - je nachdem, wie ich mein Privatleben gestalte.
Worauf muss man achten, damit Teilzeit nicht ungesund ist?
Dass die Arbeit auf das Pensum abgestimmt ist. Häufig werden einfach Pensen reduziert. Wenn aber das Pensum nicht auf das Arbeitsvolumen passt, ist das ein grosses Risiko. Wenn ich aus freien Stücken reduziere, muss ich mit dem Chef vereinbaren, was ich dann nicht mehr mache. Den Teil muss man ganz klar benennen: Für diese Aufgaben nehme ich mich explizit hinaus. Weiter müssen Teilzeiter darauf achten, dass sie bei interessanten Sachen nicht plötzlich aussen vor sind. Denn interessante Tätigkeiten und Handlungsspielräume sind ganz starke Treiber für die Gesundheit.
Also ist auch mehr Engagement gefordert von Teilzeitmännern?
Ja, auch um up-to-date zu bleiben. Denn wenn man weniger präsent ist, ist die informelle Kommunikation eingeschränkt. Auch das muss ich mit dem Chef und dem Team vereinbaren: Wie komme ich zu den relevanten Informationen? Heisst das jetzt, wenn ich 50 % schaffe, dass ich keine Weiterbildung mehr machen darf - oder dass man mit mir nicht über meine Zukunft reden muss?
Wo sehen Sie das grösste gesundheitliche Risiko von Teilzeitarbeit?
Oft flüchten die Leute in die Teilzeit, sie nutzen ein Pensum als Auswegstrategie bei zu hohem Druck. Das ist keine gesunde Ausgangslage. Es kann nicht sein, dass man als Unternehmen Stellen so designt, dass sie in einem normalen Pensum nicht machbar sind. Wenn einer trotzdem noch 100 % leistet, in 80 % der Zeit und mit 80 % Lohn, ist das versteckte Produktivitätssteigerung. Das ist definitiv nicht die Lösung.