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Alexander abero

Regenerative Wirtschaft - Ist “Net Zero” genug?

- Kurz vor dem Forum ö 2023 stellen wir uns die Frage: Gehen Netto-Null Ziele weit genug oder braucht es nicht nur nachhaltige, sondern vielmehr regenerative Lösungen? Erfahren Sie mehr über das Konzept der “regenerative Wirtschaft” und welche Fragen sich Unternehmen für ihr Business Modell stellen sollten.

Das Wirtschaftsmodell der vergangenen Jahrzehnte ist von einem zentralen Leitmotiv geprägt: dem Streben nach Wachstum. In allen Lebensbereichen, sei es in der Wirtschaft, der Kommunikation oder dem Verkehr, hat sich die Gesellschaft massgeblich weiterentwickelt. Das Wirtschaftswachstum stösst jedoch an seine Grenzen. Wir verbrauchen mehr, als unser Planet verkraften kann. Als Resultat sehen wir uns mit multiplen Krisen konfrontiert: Ressourcenknappheit, Biodiversitätsverlust, soziale Ungleichheiten oder Klimawandel. 

Der Widerspruch des Wirtschaftswachstums

Das Wachstumsstreben bringt uns in allen Lebensbereichen an planetare Grenzen und darüber hinaus. Es drängt sich die Frage auf: Steht sich ein erfolgreiches Wirtschaftssystem mit dem Drang nach Wachstum letztendlich selbst im Weg? Die Ressourcenknappheit ändert die Bedürfnisse von Stakeholdern und die Klimakrise bedroht materielle Werte. Für Unternehmen bedeutet diese Entwicklung, dass sie sich anpassen und nachhaltige Verfahren einführen müssen, um zukunftsfähig zu bleiben. Das Konzept der regenerativen Wirtschaft denkt unternehmerisches Handeln neu, um Lösungsansätze für eine zukunftsfähige Gesellschaft zu liefern.

Nachhaltigkeit neu definiert

Auf dem Gebiet der unternehmerischen Nachhaltigkeit hat sich in der Vergangenheit viel bewegt: Es gibt unzählige nachhaltige Produkte und Dienstleistungen und immer mehr Unternehmen erarbeiten Nachhaltigkeitsberichte. Dennoch können wir heute noch nicht von einem Gleichgewicht zwischen Unternehmensaktivitäten und dem Zustand von Umwelt und Klima sprechen. Viele Unternehmen konzentrieren sich darauf, ihr Geschäftsmodell so anzupassen, dass es “weniger schädlich” für den Planeten ist. Der alleinige Fokus auf CSR-Strategien, wie die Reduktion des CO2-Ausstosses, reicht jedoch nicht aus, um den Zustand unseres Planeten entscheidend zu verbessern. Ist es also an der Zeit, unser Nachhaltigkeitsverständnis grundlegend zu hinterfragen?

Earth overshoot day

Nachhaltigkeit oder “Sustainability” lässt sich vom Englischen Begriff “sustain”, also “aufrechterhalten”, ableiten. Der Grundgedanke der regenerativen Wirtschaft geht jedoch noch einen Schritt weiter: In einem Wirtschaftssystem, das lernen muss, mit Ressourcenknappheit umzugehen, ist das alleinige Aufrechterhalten des Status Quo nicht ausreichend. Die regenerative Wirtschaft will nicht nur Bestehendes bewahren, sondern auch zurückgeben. Sie zielt darauf ab, positive Auswirkungen auf Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft zu erzielen. (Quelle: WEF)

Das Prinzip der regenerativen Wirtschaft

Das World Economic Forum definiert die regenerative Wirtschaft als "Systemdenken, um sowohl das Humankapital als auch die natürlichen Ressourcen zu schützen, wiederherzustellen und aufzufüllen." Unternehmen, die nach einem regenerativen Business Model handeln, orientieren sich dabei an einigen einfachen Prinzipien:  

  • Mehr zurückgeben, als man nimmt.
  • Regenerative Unternehmen versuchen, positiven Wert bzw. Impact zu schaffen, anstatt negative Auswirkungen zu reduzieren. Dieser Wert kann unterschiedlich definiert sein und sich z.B. auf die Wiederherstellung der Biodiversität, die Entfernung von CO2 Atmosphäre oder die Reduktion von Schadstoffen beziehen. Aber auch soziale Faktoren und ein Mehrwert für Stakeholder, Lieferant:innen und Mitarbeitende wird berücksichtigt.
  • Systemübergreifend denken: Die regenerative Wirtschaft betrachtet neben ökonomischen auch ökologische und soziale Ziele.
  • Regenerative Unternehmen konzentrieren sich auf das größere System, in dem sie tätig sind (Umwelt, Gesellschaft, Stakeholder, etc), und nicht nur auf die direkten Auswirkungen des Unternehmens.

(Quelle: Kearney)

Reg wirtschaft

Paradigmenwechsel mit Chancen

Die Herausforderung, eine neue Denkweise des wirtschaftlichen Handelns zu etablieren, ist gross. Doch sie birgt auch Chancen. Während ESG-Themen in der Vergangenheit fast als Hindernis für erfolgreiches Wirtschaftswachstum betrachtet wurden, werden sie heute zum Treiber. Die Vorteile von nachhaltigen und regenerativen Business Modellen reichen von Kostensenkungen und Umsatzsteigerungen über die Gewinnung neuer Talente. Regenerative Lösungen, die etwas an Gesellschaft und Umwelt zurückgeben, können zudem kreative Innovationen hervorbringen. 

Letztlich ist jedoch das Risikomanagement der entscheidende Faktor, der für die regenerative Wirtschaft spricht. Unternehmen sind zwangsläufig abhängig von globalen Lieferketten. Werden diese durch Klimakatastrophen, soziale Missstände, Biodiversitätsverlust oder andere Krisen ausgehebelt, so entsteht auch ein grundlegendes ökonomisches Risiko. Allein durch Wirtschaftswachstum, das in einer Ausbeutung des Planeten resultiert, können Unternehmen nicht zukunftsfähig sein.

Wie also können Unternehmen die Chancen in diesem herausfordernden Umfeld für sich nutzen?

Regenerative Business Modelle in der Praxis

Für die Umsetzung regenerativer Lösungen in der Praxis helfen einfache Fragen, die sich Unternehmer:innen und Nachhaltigkeitsverantwortliche stellen können:

  • Welchen Wert schaffen wir für unser Umfeld (Gesellschaft, Klima, Umwelt, Mitarbeitende, Stakeholder etc.)?
  • Wo und wie schaffen wir diesen Wert?
  • Was tragen wir dazu bei, um unsere Planeten besser zu machen? Wie tragen wir aktiv zur Wiederherstellung des Planeten bei?
  • Welchen Mehrwert schaffen wir für heutige und künftige Generationen?
  • Wem oder was soll unser Unternehmen nutzen?

In einem ersten Schritt macht es Sinn, die Wertschöpfungskette von Anfang bis Ende zu betrachten. An welchen Stellen schaffen Produkte und Dienstleistungen einen Mehrwert? Wer profitiert davon? Im Grundgedanken der regenerativen Wirtschaft erbringt ein Produkt nicht nur einen Nutzen am Ende der Wertschöpfungskette bei den Kundinnen und Kunden. Auch Mitarbeitende, Lieferant:innen, Produzent:innen und andere Stakeholder müssen in Betracht gezogen werden. Die regenerative Wirtschaft erweitert die Grenzen des eigenen Business Modells. (Quelle: Harvard Business Review)

Einige Unternehmen widmen sich schon heute regenerativen Lösungsansätzen. Die Suchmaschine Ecosia, deren gesamtes Geschäftsmodell regenerativ ausgerichtet ist, dient hier als plakatives Beispiel. Das Unternehmen verwendet seine Einnahmen (z.B. aus Werbeanzeigen) zur Finanzierung von Aufforstungsprojekten. Neben weiteren grossen Playern wie Patagonia, Einhorn und Co. finden sich auch kleine und mittelständische Unternehmen wie der Schuhhersteller Wildling, der bereits in seinem Slogan für die regenerative Wirtschaft wirbt. Wildling hinterfragt dazu jeden Punkt in der Lieferkette und sucht nach nachhaltigen Alternativen für Baumwolle. Das Unternehmen fördert die Verwendung von Hanf als nachhaltige Stoffalternaitve und versucht diese zusammen mit anderen Partner:innen am europäischen Markt zu etablieren. Statt eines Top-Down-Modells sucht Wildling den Austausch mit allen Stakeholdern der Lieferkette, um gemeinsam nach an Lösungen zu arbeiten und Transparenz herzustellen.

Leadership für die regenerative Wirtschaft am Forum ö 2023

Auch beim Forum ö 2023 fragen wir uns: Gehen unsere Ansprüche an nachhaltige Geschäftsmodelle weit genug oder braucht es neue Wege? Gemeinsam diskutieren wir die Lösungsansätze der regenerativen Wirtschaft und betrachten auch die individuellen Wirkungsmechanismen. Wie kann ich andere inspirieren? Wie nehme ich Mitarbeitende mit auf den Weg? Wie kann ich mit Hilfe regenerativen Prinzipien ökonomisch erfolgreich sein? Das Programm bietet einen vielfältigen Blick auf regenerative Geschäftsmodelle und Lösungen:

  • “Business as Unusual”: In Impulsvorträgen lernen wir Geschäftsmodelle kennen, die Lösungen abseits des Status Quo aufzeigen. Mit dabei ist z.B. das Startup neustark, das mit der Speicherung von CO2 eine regenerative Lösung zum Kern des Geschäftsmodells gemacht hat.
  • Leadership: Die Motivation für echte Transformation beginnt oft auf individueller Ebene. oikos International zeigt anhand des IDG-Konzeptes, wie wir uns individuelles Rollenverständnis für die regenerative Transformation überdenken können.
  • Twin Transformation: Welche Synergien ergeben sich aus digitaler Transformation und regenerativen Geschäftsmodellen? In einem Planspiel mit Digitalisierungsexperte esentri lernen die Teilnehmenden digitale und nachhaltige Synergieeffekte in der Praxis kennen. 

Diese und weitere Programmpunkte finden Sie auf der offiziellen Website des Forum ö 2023. 

(Titelbild: Unsplash)

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