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Konzernverantwortungsinitiative (KoVI) – Q & A

- Worum geht es in der Konzernverantwortungsinitiative? Was wollen die Initianten? Was bedeutet eine Annahme für Schweizer Unternehmen und was denkt öbu dazu? Antworten auf diese Fragen finden Sie in diesem Q&A.

Worum geht es?

Die Konzernverantwortungsinitiative (KoVI) fordert eine Anpassung der Schweizerischen Bundesverfassung mit dem Ziel, die Respektierung der Menschenrechte und der Umwelt durch die Wirtschaft zu stärken. Sie wird von einer breiten Koalition von über achtzig schweizerischen NGOs getragen aber auch von Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft unterstützt. Die Verfassungsvorlage zielt primär auf Auslandsaktivitäten von Schweizer Unternehmen und verpflichtet den Bund, entsprechende Massnahmen zu treffen.

Die Initiative möchte, dass sich Unternehmen auch im Ausland an die international anerkannten Menschenrechte und Umweltstandards halten. Welche Normen als internationale Umweltstandards gelten, hat der Schweizer Gesetzgeber noch zu bestimmen. Zu den Menschenrechten zählen die Initianten jedoch mindestens die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte sowie UNO-Pakt I und Pakt II und die acht Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO). 

Der Wirkungsbereich der Initiative erstreckt sich auf die Aktivitäten aller Unternehmen mit Hauptniederlassung in der Schweiz und deren Tochterunternehmen sowie «durch wirtschaftliche Machtausübung» kontrollierte Unternehmen im Ausland. Das Kernstück der Initiative besteht einerseits aus der menschenrechtlichen Sorgfaltsprüfungspflicht und andererseits aus der unternehmerischen Haftung für Menschenrechtsverstösse. Unternehmen sind demnach verpflichtet, ihre Geschäftstätigkeiten einer menschenrechtlichen Sorgfaltsprüfung zu unterziehen, um Auswirkungen ihres Handelns zu beurteilen, Massnahmen zur Verhinderung von Menschenrechtsübertretungen zu ergreifen und bestehende Rechtsverletzungen zu beenden. Verletzen Unternehmen in Ausübung ihrer geschäftlichen Verrichtung international anerkannte Menschenrechte oder internationale Umweltstandards, so haften diese Unternehmen für daraus erwachsende Schäden. 

Was bedeutet die KoVI für die schweizerischen Unternehmen? 

Die konkreten Folgen, welche die Annahme der Initiative für schweizerische Unternehmen haben würde, sind schwierig abzuschätzen. So ist beispielsweise unklar, für wie viele Unternehmen die Sorgfaltsprüfungspflicht und menschenrechtliche Haftung schlussendlich in der Praxis zur Anwendung kämen. Dies gilt insbesondere für KMU: Die Initiative verlangt, dass bei der Regelung der Sorgfaltsprüfungspflicht auf die Bedürfnisse kleinerer und mittlerer Unternehmen mit tiefen Menschenrechtsrisiken Rücksicht genommen werden sollte. Unklar ist, nach welcher Methode KMU als risikoarm eingestuft würden und die Definition davon, was als «Kontrolle durch wirtschaftliche Machtausübung» gilt, würden die Gerichte gemäss den Initianten erst im Einzelfall entscheiden, was zu Unsicherheiten führen kann.

Wo befinden wir uns im politischen Prozess? 

Mit der KoVI wollen die Initianten die unternehmerische Pflicht, Menschenrechte zu respektieren - wie sie auf internationaler Ebene in den UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte festgehalten wird - mit rechtlich bindenden Massnahmen in der Schweiz umsetzen. Die Initiative wurde am 10. Oktober 2016 mit 120'000 Unterschriften eingereicht. Im Januar 2017 empfahl der Bundesrat die KoVI zur Ablehnung ohne Gegenvorschlag. Der Nationalrat sprach sich jedoch im Juni 2017 für einen Gegenvorschlag aus.

Im Dezember 2016 hatte der Bundesrat seinen Nationalen Aktionsplan für die Umsetzung der UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte verabschiedet. Der Plan sieht im Gegensatz zur KoVI jedoch keine neuen rechtlich verbindlichen Massnahmen vor und wird von den Initianten als ungenügend erachtet. Tatsächlich scheint die Schweiz den dynamischen Entwicklungen auf internationaler Ebene hinterher zu hinken: So hat Frankreich anfangs Jahr eine menschenrechtliche Sorgfaltspflicht für grosse Unternehmen verabschiedet, Italien will juristische Abklärungen durchführen und Deutschland will bei unzureichender freiwilliger Umsetzung ab 2020 gesetzliche Massnahmen in Betracht ziehen. Bereits in Kraft sind in verschiedenen Ländern Gesetze, welche spezifische Teilgebiete regeln, die als besonders problematisch erachtet werden. 

Wie steht die öbu zur KoVI? 

öbu teilt das Anliegen der Initiative, wonach Unternehmen verantwortungsvoll handeln und ihr Geschäftsgebaren langfristig und im Einklang mit Mensch und Umwelt ausrichten sollen – und dies nicht nur im Inland, sondern auch entlang ihrer Wertschöpfungsketten im Ausland. Tatsächlich besteht diesbezüglich insbesondere im Ausland noch grosses Verbesserungspotential, während im Inland die Sozial- und Umweltgesetzgebung in der Regel gute und transparente Verhältnisse schafft. Während der ausschliesslich auf Freiwilligkeit basierende bundesrätliche Aktionsplan hinter den aktuellen europäischen Entwicklungen zurück bleibt, bietet die KoVI eine Alternative, welche mit der derzeit weltweit umfassendsten Regelung weit über die europäischen Entwicklungen hinausgeht und die Schweiz gleichsam alleine dastehen lässt. öbu befürwortet, dass auch die Schweiz mittels eines «Smart Mix» aus freiwilligen und gesetzgeberischen Massnahmen die UNO-Leitprinzipien umsetzt und so mit den regulatorischen Entwicklungen in Europa mindestens mithält. Ein schrittweises Vorgehen, welches beispielsweise zunächst Hochrisikobereiche regeln würde, korrespondiert besser mit den gegenwärtigen europäischen Entwicklungen. Welche Form des «Smart Mix» auch gewählt wird: öbu ist überzeugt davon, dass wesentliche Fortschritte bei der Umsetzung nicht zuletzt von der kontinuierlichen Sensibilisierung und Weiterbildung von Unternehmern und Managern abhängig sind.

Der Verband erachtet es als seine Aufgabe, das Verständnis für bestehende Standards und Instrumente zu fördern, um in Unternehmen und entlang ihrer Wertschöpfungsketten den Schutz von Menschenrechten und der Umwelt zu verbessern. Vorreiter des nachhaltigen Wirtschaftens – darunter zahlreiche öbu-Mitglieder –, nehmen ihre unternehmerische Verantwortung bereits heute wahr. Sie zeigen, wie Umweltstandards und Menschenrechtsnormen entlang der gesamten Lieferkette umgesetzt werden können. öbu setzt sich dafür ein, dass das Wissen und die positiven Erfahrungen innovativer Unternehmen am Wirtschaftsstandort Schweiz vermittelt werden, so dass vorausschauendes Lieferkettenmanagement und nachhaltige Beschaffungspraktiken sukzessive zur Normalität in der Schweizer Wirtschaft werden.