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Mehr Kollaboration für die Nachhaltigkeit

- Früher haben Organisationen ihre Strategien hinter verschlossenen Türen formuliert. Um den komplexen Herausforderungen der Nachhaltigkeit gerecht zu werden, setzen viele heute auf mehr Offenheit. Theresa Langenmayr (Universität Zürich) begleitet öbu derzeit im Rahmen einer Forschungsarbeit zu interorganisationaler Zusammenarbeit und hat für uns die Chancen von Kollaborationen zusammengefasst.

Im Bereich Nachhaltigkeit sehen sich Organisationen zunehmend mit komplexen und tiefgreifenden Makro-Problemen konfrontiert, die auf absehbare Zeit nicht lösbar sind. Diese beinhalten u.a. die Klimakrise, Ressourcenknappheit und unterschiedliche Formen von Ungleichheit und Diskriminierung und sind durch die Vereinten Nationen durch die SDGs definiert worden. 

Um die Auswirkungen dieser komplexen Probleme auf die organisationale Ebene besser zu verstehen, entschliessen sich immer mehr Organisationen nicht individuell, sondern kollaborativ mit anderen Organisationen zusammenzuarbeiten. Gerade im Bereich der Nachhaltigkeit wird dieses Vorgehen beobachtet. Hier werden Strategien gemeinsam erarbeitet und teilweise gar die Implementierung aufeinander abgestimmt. 

Warum arbeiten wir mit anderen zusammen?

Aus der aktuellen Forschung ergeben sich vier Hauptgründe warum Organisationen beschliessen mit anderen Organisationen zusammenzuarbeiten: Kollaborationen können dabei helfen, das Verständnis für komplexe Probleme zu erweitern und gesammelte Erfahrungen auszutauschen. Die Zusammenarbeit mit anderen Organisationen erhöht zudem die Legimitation von Entscheidungen, stärkt die Beziehung zu anderen Organisationen und hilft dabei, gemeinsame Lösungen zu erarbeiten. Sogenannte «Interorganisationale Kollaborationen» können diese Funktionen auch gleichzeitig erfüllen.

Exploration und Lernen

Interorganisationale Kollaborationen werden oft in den frühen Phasen einer Entscheidungsfindung eingesetzt. Findet diese Exploration in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen statt, erhöht sich die Vielfalt der Standpunkte, die helfen ein komplexes Problem und die Umwelt besser zu verstehen. 

Die Fähigkeit, die Umwelt möglichst genau zu erfassen, ist eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche strategische Ausrichtung. Eine offene Exploration von komplexen Problemen verringert die Wahrscheinlichkeit von Fehlinterpretationen. Im Rahmen der «Fashion for Good Initiative» beispielsweise ergründen Organisationen wie Adidas und Zalando gemeinsam das Problem der hohen Abfallmengen in der Modeindustrie. Dabei versuchen sie innovative Ideen im Bereich zirkulärer Modepraktiken und Abfallreduktion durch die Vielfalt an Sichtweisen besser zu beurteilen.

Während der Begriff «Exploration» zukunftsorientiert ist, ist «Lernen» rückwärtsgewandt und beschreibt den Austausch von vergangenen Erfahrungen und den daraus gezogenen Lehren. Insbesondere bei hochkomplexen strategischen Fragen befindet sich das Wissen über vergangene Erfahrungen oft außerhalb der Grenzen einer Organisation. So standen andere Organisationen bereits vor einer ähnlichen Entscheidungsfindung und können ihre positiven und negativen Erfahrungen im Rahmen der Zusammenarbeit teilen. Die interorganisationalen Kollaborationen ermöglichen es somit, Wissen zu teilen und auf die Erfahrungen anderer Organisationen aufzubauen. 

Aufbau von Legitimität

Viele Organisationen haben Schwierigkeiten eine neue strategische Ausrichtung einzuschlagen. Eines der Hauptprobleme besteht darin, Stakeholder davon zu überzeugen, dass die Änderung der strategischen Ausrichtung legitim ist. Ein Aspekt, der Einfluss auf die Wahrnehmung der Legitimität hat, ist das Ausmass, in dem der Entscheidung eine offene Dialogphase vorausgegangen ist. Wenn eine Organisation offen und in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen an der Strategie arbeitet, können selbst Akteure, die nicht direkt am Dialog beteiligt waren, motiviert sein, die reibungslose Umsetzung der neuen Strategie zu unterstützen. Die Einbindung in einen Dialog über die Strategie mit anderen Organisationen ist daher eine zielführende Möglichkeit zur Schaffung von Legitimität. Banken können sich beispielsweise der «Global Alliance for Banking on Values» anschliessen, um gemeinsam mit anderen Banken ethische Praktiken zu entwickeln, die auf sozialer Gerechtigkeit und Umweltverantwortung basieren. Die teilnehmenden Banken nutzen die Mitgliedschaft, um ihre Nachhaltigkeitsbestreben gegenüber Stakeholdern legitimieren zu können.

Stärkung von Beziehungen

Interorganisationale Kollaborationen können auch als Investition in den Aufbau und die Pflege guter Beziehungen zu externen Stakeholdern betrachtet werden. Die Sicherung einer guten Beziehung zu Stakeholdern verbessert die Zusammenarbeit mit Lieferant:innen sowie das Image der Organisation in der Gemeinschaft und steigert die Leistungsfähigkeit.

Gemeinsame Lösungen erarbeiten

Viele Unternehmen haben vernetzte Geschäftsbeziehungen und sind in der Umsetzung ihrer Nachhaltigkeitsstrategie abhängig von anderen Organisationen. Produzierende Unternehmen, die beispielsweise an einer nachhaltigen Wertschöpfungskette arbeiten, müssen sich mit ihren Zulieferer:innen und Distributor:innen abstimmen. Im Rahmen der «Sustainable Apparel Coalition» arbeiten grosse Hersteller wie Nike, Adidas und Patagonia mit Zulieferer:innen und Distributor:innen an Tools und Standards um die Nachhaltigkeit ihrer Produkte und Wertschöpfungsketten zu verbessern und messbar zu machen.

Kollaborationen sind erforderlich, um einen gemeinsamen Kurs zu entwickeln. Um dies zu erreichen, müssen Organisationen den strategischen Entscheidungsfindungsprozess öffnen, der über lange Zeit geheimnisvoll und exklusiv war, und ihn transparenter und inklusiver gestalten. 

Literatur zum Nachlesen

  • De Gooyert, V., Rouwette, E., & Van Kranenburg, H. (2019). Interorganizational Strategizing. In D. Seidl, G. Von Krogh, & R. Whittington (Eds.), Cambridge Handbook of Open Strategy (pp. 106-120). Cambridge: Cambridge University Press. https://doi.org/10.1017/9781108347921.007 
  • Gümüsay, A.A., Marti, E., Trittin-Ulbrich, H. and Wickert, C. (2022), "How Organizing Matters for Societal Grand Challenges", Gümüsay, A.A., Marti, E., Trittin-Ulbrich, H. and Wickert, C. (Ed.) Organizing for Societal Grand Challenges (Research in the Sociology of Organizations, Vol. 79), Emerald Publishing Limited, Bingley, pp. 1-14. https://doi.org/10.1108/S0733-558X20220000079002 
  • Hardy, C., Phillips, N. and Lawrence, T.B. (2003), Resources, Knowledge and Influence: The Organizational Effects of Interorganizational Collaboration. Journal of Management Studies, 40: 321-347. https://doi.org/10.1111/1467-6486.00342 
  • Lawrence, T., Hardy, C. and Phillips, N. (2002), Institutional Effects of Interorganizational Collaboration: The Emergence of Proto-Institutions. Academy of Management Journal, 45, 281–290, https://doi.org/10.5465/3069297 

Über die Autorin

Theresa Langenmayr arbeitet am Lehrstuhl für Organisation und Management der Universität Zürich und begleitet öbu über das kommende Jahr im Rahmen ihrer Forschung zum Thema «interorganisationale Zusammenarbeit im Bereich Nachhaltigkeit». Sie wird im Laufe der nächsten Monate weitere Artikel zu diesem Thema erstellen.

Theresa