
Schweizer Unternehmen im Kontext des EU-Omnibusverfahrens: Nicht abwarten, sondern Chancen nutzen
Wir kennen das Framework der Planetary Boundaries von Johan Rockström und wir sind uns sicher einig, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Es gilt, die unterschiedliche zeitliche Perspektive der globalen Klimaänderung mit dem kurzfristigeren Strategiehorizont von Firmen besser anzugleichen. Dazu ist eine Europäische Regulierung des Nachhaltigkeits-Reportings gerechtfertigt.
Erste Triebkraft: Scope 3-Ziele von Kunden
Sehr viele Firmen haben sich Ziele zur Reduktion von Scope 1 und 2 gesetzt. Dabei sind auch viele KMU, vor allem mittelständische Unternehmen. Viele dieser Unternehmen beliefern den Europäischen Markt. In der Zwischenzeit haben viele Grossunternehmen weitergehende Scope 3-Ziele kommuniziert, beispielsweise will ABB ihren Scope 3 bis 2030 um 25% reduzieren, im Vergleich zur Baseline 2022.
Durch die Scope 3-Ziele grosser Kunden im EU-Raum werden nun die Zulieferbetriebe in die Zielsetzung miteinbezogen. Die grossen Firmen verlangen Daten zum CO²-Fussabdruck der Produkte in der Lieferkette.
Zweite Triebkraft: Firmenstrategie
Aus einer strategischen Perspektive sind Umwelt-Parameter eines Produkts und der Fussabdruck einer Firma heute sehr relevante Werte. Deren Verbesserung muss heute Teil der Unternehmensstrategie sein.
Für viele Firmen bieten sich Geschäftschancen wie...:
...die Erhöhung der Zirkularität
...lebensverlängernde Upgrade-Kits von Produkten
...die Kostenreduktion durch Energiesparmassnahmen
Daraus leitet sich ab, dass die Geschäftsstrategie der Firma und die Nachhaltigkeitsstrategie immer weiter zusammenwachsen.
Von der doppelten Wesentlichkeitsanalyse zur integrierten Strategie
Aus diesen zwei Perspektiven beurteilt (Scope 3-Ziele und die zusammenwachsenden Strategien), ist die Investition in Transparenz des Umwelt-Fussabdruckes von Produkten und der Firma selbst sinnvoll. Als Weg zu einer integrierten Umwelt- und Geschäftsstrategie ist die doppelte Wesentlichkeitsanalyse ein relevantes Werkzeug, um die Grundlage für ihre Nachhaltigkeitsstrategie zu schaffen und zu priorisieren. Durch diese integrierte Strategie verbessert sich die Firma, bietet ihren Kunden nachhaltigere Lösungen und erhöht ihre Resilienz für künftige Schocks.
Wenn eine Firma diese integrierte Strategie gut umsetzt, werden die Umwelt-Parameter auf Zielkurs liegen. Die nötige Transparenz, um diese integrierte Strategie umzusetzen, ist auch die Basis für das Umwelt-Reporting. So wird das Reporting quasi zum positiven Mitnahmeeffekt für eine erfolgreiche Nachhaltigkeitsstrategie und ist nicht die Bürde. So treiben sie ihre Unternehmensstrategie erfolgreich voran und werden nicht durch das Reporting getrieben.
Potenziale des Omnibus Simplification Package
Das Omnibus Simplification Package verspricht eine Vereinfachung der Anzahl Umwelt-Messwerte, eine Reduktion der Granularität. Diese Vereinfachung sehe ich als Vorteil für kleinere Firmen. Wichtig ist, dass nicht die Relevanz reduziert wird. Diese Berichterstattung ist für unsere Lieferanten relevant und fliesst in die Scope 3-Berichterstattung ihrer Kunden mit ein.
Um auf die ursprüngliche Frage "Quo Vadis Nachhaltigkeitsreporting?" zurück zu kommen: Für ABB als globalen Player bringt Omnibus eine Vereinfachung der Nachhaltigkeitsberichterstattung, weniger Aufwand also.
Jedoch ist ABB aufgrund des Geschäftsvolumens im EU-Raum weiter zur Berichterstattung verpflichtet. ABB will im Hinblick auf die öffentlich kommunizierten Science Based Targets auch weiterhin transparent berichten. Weiter hat ABB eine integrierte Geschäfts- und Nachhaltigkeitsstrategie und zeigt dies im integrierten Bericht bereits seit 2023.
Unterm Strich also: Nicht abwarten, sondern Chancen nutzen
Zusammenfassend finde ich den Grundansatz der Vereinfachung durch das Omnibus Simplification Package richtig. Firmen sollen nicht zuwarten, bis die EU die Korrekturen im Reporting entschieden hat. Die Lösungen für Dekarbonisierung und eine höhere Energieeffizienz sind vorhanden. Es gilt jetzt Entscheide zu treffen und die Dekarbonisierung voranzutreiben. Ich bin überzeugt, dass diese grossen Megatrends Dekarbonisierung und Bevölkerungswachstum für viele Schweizer Firmen eine Wachstumschance sind, und die Risiken überwiegen.
Zum Abschluss will ich noch einen relevanten Gedanken voranbringen. Ich sehe das CO²-Pricing als zentralen Treiber für die Dekarbonisierung. Projekte, welche sich heute nicht rechnen, können durch einen höheren CO²-Preis ins Geld kommen. So wird der Markt sehr schnell übernehmen und die Veränderung treiben und nicht eine Reporting-Vorschrift.
Wir alle müssen darauf zuarbeiten, dem CO² einen höheren Preis zu geben. Für alle, die ihre Produkte und den Firmen-Fussabdruck dekarbonisieren, bietet ein steigender CO²-Preis eine Chance und reduziert die Risiken.
