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Mit Algorithmen zur Nachhaltigkeit – Perspektiven für den Einsatz von KI

Themenfeld «öbu-Themenschwerpunkt: ​Digitale Transformation und Nachhaltigkeit»
- Von der Überwachung globaler Umweltziele bis hin zur Optimierung von Lieferketten - Algorithmen revolutionieren bereits heute unsere Herangehensweise an Herausforderungen der nachhaltigen Entwicklung. Doch neben Pionierprojekten und innovativen Anwendungen steht auch die Frage nach der Verhältnismässigkeit dieser einflussreichen Tools im Raum.

Vor nicht allzu langer Zeit, im Herbst 2022, erhielt ChatGPT Einzug in unseren Arbeitsalltag und eröffnet seitdem neue Möglichkeiten für die Effizienzsteigerung oder beliefert uns auf Knopfdruck mit neuen Denkanstössen. Künstliche Intelligenz (KI) ist längst mehr als nur ein Werkzeug zur Text- und Bildgenerierung oder zur Korrektur von Rechtschreibfehlern. Kaum verwunderlich, dass die künstliche Intelligenz auch im Bereich der Nachhaltigkeit erste Erfolge feiert.

KI, AI, Machine Learning?

Doch bevor wir in die Tiefe gehen, klären wir die Grundlagen: Was ist eigentlich KI? In der Welt der künstlichen Intelligenz existieren zahlreiche Begriffe, manche davon werden synonym verwendet (wie "artifizielle Intelligenz") oder beschreiben Teilkonzepte (wie "Machine Learning"). Trotz der zunehmenden Verfügbarkeit von Tools wie ChatGPT ist es wichtig, klare Definitionen zu finden. 

Nutzen wir doch direkt die Effizienzvorteile von ChatGPT und tippen die Frage nach der Definition in das Eingabefeld. Wenn jemand weiss, was hinter künstlicher Intelligenz steckt, dann doch wohl die KI selbst. In weniger als drei Sekunden liefert ChatGPT eine zufriedenstellende Antwort: «Künstliche Intelligenz bezieht sich auf die Entwicklung von Algorithmen und Systemen, die es Computern ermöglichen, menschenähnliche kognitive Fähigkeiten wie Lernen, Schlussfolgern und Problemlösen zu simulieren.«

Screenshot Chat GPT
Screenshot aus dem Chat mit ChatGPT im Februar 2024

Diese Fähigkeiten machen KI zu einem Werkzeug, um Herausforderungen anzugehen, Probleme zu lösen und aus Fehlern zu lernen – Eigenschaften, die wir auch im Nachhaltigkeitsmanagement gut gebrauchen können. 

KI für die grossen nachhaltigen Herausforderungen

Wir wissen heute bereits sehr viel über die Herausforderungen der Nachhaltigkeit. Wir haben belastende Klimadaten, kennen das Biodiversitätsproblem und wissen von zunehmenden sozialen Ungerechtigkeiten. Der Blick ins Detail offenbart jedoch grosse Lücken: Wenn es um die Verfügbarkeit von Daten geht, die notwendig sind, um die Sustainable Development Goals (SDGs) auf globaler Ebene zu überwachen, zeigt sich Aufholbedarf. Laut dem SDG-Monitor der ETH liegt die Datenverfügbarkeit vieler SDGs bei weit unter 50%. Dieser Umstand kann die Erreichung der SDGs jedoch wesentlich beeinträchtigen. Wie können die Folgen einer Unwetterkatastrophe abgeschätzt werden, wenn zuvor keine Daten über den Zustand von Biodiversität vorlagen? KI hat das Potenzial die Datenbeschaffung auf globaler Ebene zu automatisieren und neue Datenpunkte anzubieten. So können beispielswiese Fischbestände in Echtzeit überwacht oder Naturkatastrophen durch neue Datenpunkte besser vorhergesagt werden. 

Schon lange sind grosse Player in das Geschäft eingestiegen. Im Jahr 2020 lancierte beispielsweise Microsoft den «Planetary Computer». Die Initiative will eine globale Umweltdatenplattform schaffen. Künstliche Intelligenz soll dabei helfen, Umweltdaten zu sammeln, zu analysieren und zu modellieren, um Naturschutzbemühungen und nachhaltiges Ressourcenmanagement zu unterstützen.

Ideen der nachhaltigen Wirtschaft

Einmal in Gang gesetzt, sind den Ideen für den Einsatz von KI im Bereich der Nachhaltigkeit keine Grenzen gesetzt. Auf der Suche nach kreativen Lösungen, die Unternehmen heute schon im Bereich «nachhaltiger KI» einsetzen, stösst man auf eine Vielzahl von Beispielen aus den unterschiedlichsten Branchen, Unternehmensgrössen und Anwendungsgebieten. 

Besonders im Bereich der Energieversorgung scheinen die Potenziale von KI gross und werden bereits heute genutzt – beispielswiese mit sogenannten "Smart Grids". Dabei handelt es sich um intelligente Stromnetze, die moderne Technologien nutzen, um den Stromverbrauch effizienter und nachhaltiger zu gestalten. Hier kann mit dem Einsatz von KI das Verbrauchermuster analysiert und so der Stromverbrauch vorhergesagt werden. In weiteren Projekten wird bereits erprobt, wie beispielsweise Drohnen per Bilderkennung den Reparaturbedarf von Strommasten erkennen oder wie überschüssiger Strom von Ladesäulen auf dem Markt angeboten werden kann. 

KI und Kartoffeln?

Nicht nur der Energiesektor, auch die Landwirtschaft kann von der Digitalisierung profitieren. Ein Schweizer Projekt macht vor, wie künstliche Intelligenz die Kartoffelernte revolutionieren könnte. Bei der Kartoffellagerung versucht man grüne Stellen, das sogenannte «Austreiben», zu vermeiden, da es zu Qualitäts- und Gewichtseinbüssen führt. Ein neues Forschungsprojekt des Laboratory for Web Science (LWS) soll dazu beitragen, dass dieses unerwünschte Austrieben der Kartoffeln früh erkannt und vorhergesagt wird. Gefördert wird das Projekt von Innosuisse und auch öbu-Mitglied Zweifel Pomy-Chips unterstützt das Vorhaben. Im Forschungsprojekt werden modernste Machine-Learning-Technologien mit der sensorbasierten Überwachung elektrischer Signale kombiniert, um das Austreiben bereits Wochen im Voraus vorherzusagen. 

Die Vorteile: Die Methode führt zu einer geringeren Anwendungen von Anti-Austriebsmitteln, die Rückstände am Endprodukt verursachen. Längere Lagerzeiten führen zu weniger Abfall und damit zu einer geringeren Umweltbelastung.

Prozess- und produktionsoptimierung

Ein weiteres spannendes Beispiel stammt ebenfalls aus den öbu-Reihen. Unser Mitglied esentri zeigt mit einem Projekt, wie mit Hilfe von KI Lebensmittelabfälle reduziert und gleichzeitig die Effizienz entlang der Wertschöpfungskette gesteigert werden kann. Für ein Kundenprojekt hat sich esentri mit den Produktionsschwierigkeiten in Grossbäckereien auseinandergesetzt. Die Herausforderung besteht oft darin, dass Bäckereien genau die richtige Menge produzieren müssen - damit am Abend weder zu viel noch zu wenig Ware in der Auslage liegt. Mithilfe von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen konnte esentri die Prognosen optimieren und so die Lebensmittelabfälle der Bäckerei reduzieren.

Inspiration und Innovation 

Auf Seiten wie dem Green AI HUB, einer KI-Initiative des Bundesumweltministeriums in Deutschland, finden sich zahlreiche weitere Pilotprojekte. Hier zeigen KMU, wie sie KI bereits heute für ihre Nachhaltigkeitsziele einsetzen und vielleicht findet auch das eine oder andere Schweizer KMU hier eine Inspirationsquelle.

Die Frage nach dem KI-Footprint

Die Künstliche Intelligenz verspricht, ihren Erfolgskurs weiter fortzusetzen. Sie ist daher keine Technologie, bei der wir es uns leisten können, die Kosten für die Umwelt zu ignorieren. Konkret bedeutet das – wir können künstliche Intelligenz und ihre Vorteile für die nachhaltige Entwicklung nicht völlig losgelöst von dem Impact betrachten, den ihre Entwicklung und ihr Gebrauch auf Natur und Umwelt haben. Der Einsatz von KI geht mit einem hohen Energieverbrauch einher. Eine Analyse von Forscher:innen der University of California (Berkeley) hat ergeben, dass allein das Training des Spachmodells, auf dem Chat GPT basiert, zu einem Ausstoss von mehr als 550 Tonnen CO2-Äquivalente führte. Nur zum Vergleich: Dieser CO2-Ausstoss entspricht etwa 550 Flügen von Frankfurt nach New York. 

In diesem Kontext tauchen in der Forschungsliteratur auch Begriffe wie «Sustainable AI» auf. Die «Sustasinable AI» soll dabei zwei Ausprägungen haben: KI für die Nachhaltigkeit, wie wir sie in einigen Beispielen aufgezeigt haben, aber auch Nachhaltigkeit für KI. Damit soll KI bezeichnet werden, die mit der Erhaltung der Umweltressourcen für heutige und künftige Generationen vereinbar ist.

In Zukunft müssen wir uns also viele Fragen rund um den Einsatz von KI stellen. Sie wird ein wichtiges Tool zur Erreichung unserer Nachhaltigkeitsziele sein. Doch die Frage nach der Verhältnismässigkeit, dem Umfang ihres Einsatzes und ihrem eigenen Footprint wird – ganz zu schweigen von ethischen Bedenken – verstärkt in unseren Fokus rücken.

(Titelbild: Mit generativer KI von Adobe entwickelt)